Es herrscht eine regelrechte Versicherungsmentalität bei uns in Deutschland. Am liebsten würden wir uns gegen alle möglichen Risiken absichern. Wenn’s gehen würde, am besten auch gegen den Tod. Aber selbst die allerbesten „Lebensversicherungen“ können den auch nicht verhindern. Wie auch eine Autoversicherung keinen Unfall verhindern kann. Aber sie können die Folgen mildern. Wenn es wirklich mal gekracht hat, dann soll wenigstens der materielle Schaden nicht auch noch hoch bleiben. Bei einer Lebensversicherung gibt es Geld für die Hinterbliebenen. Den Verlust durch den Tod kann das Geld auch nicht ausgleichen. Wenn heute an Allerseelen Menschen in die Kirche gehen, – oder zu Haus an ihre verstorbenen Angehörigen denken, an Freunde, Nachbarn oder Kollegen, dann ist nicht von einer Lebensversicherung die Rede.
Und doch hat das vielleicht zumindest indirekt etwas miteinander zu tun. „Tot ist, wer vergessen ist“, heißt es sprichwörtlich. Viele Tote sind in der Erinnerung lebendig. Man denkt an sie, spricht von ihnen, hat dadurch nicht nur das Gefühl, dass sie fehlen, sondern auch, dass sie irgendwie da sind, anwesend, dabei. Vielleicht ist so ein Tag wie heute eine Erinnerung, diese Art der „Lebensversicherung“ noch einmal zu überdenken, zu erneuern, auf den besten Stand zu bringen: dadurch, dass wir etwas zusammen unternehmen mit anderen, das unvergesslich bleibt, über den Tod hinaus. Oder uns daran erinnern, was wir gemeinsam schon erlebt haben. Auch wenn der Tod schneller war. Aber damit er eben nicht das letzte Wort behält. Das wäre eine echte „Lebensversicherung“.
Dieser Impuls wurde von Michael Kinnen zu Allerseelen 2017 verfasst und im „Zwischenruf“ im Saarländischen Rundfunk veröffentlicht